der Fachkräftemangel ist längst ein allgemeiner Mangel an Arbeitskräften. Viele Unternehmen wildern deshalb zunehmend bei Vertragspartnern, um ihren Personalbedarf zu decken. Ob das erlaubt ist, erklären wir in unserem heutigen Newsletter.
Rafaela Wilde
Rechtsanwältin
Renate Schmid
Rechtsanwältin
Ihre Ansprechpartnerinnen im Urheber- und Medienrecht
Trotz Verboten und Vereinbarungen ist Abwerbung kaum zu vermeiden
Abwerben von Mitarbeitern
In deutschen Unternehmen ist der Fachkräftemangel allgegenwärtig. Viele Unternehmen versuchen deshalb, Personal von ihren Vertragspartnern abzuwerben. Laut Entscheidung des OLG Köln (Urt. V. 03.09.2021, Az. 6 U 81/21) handelt es sich dabei in der Regel nicht um wettbewerbswidrige Behinderung. Das Gericht hat mit der Entscheidung enge Voraussetzungen von vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverboten aufgestellt.
Eine Abwerbung liegt bei ernsthafter Einwirkung auf Arbeitnehmer vor, die mit dem eindeutigen Ziel erfolgt, einen Arbeitgeberwechsel zu veranlassen. Grundsätzlich ist Abwerben von Arbeitnehmern zulässig, da jede Person selbst frei entscheiden darf, für wen sie arbeiten oder ob sie einen Arbeitsvertrag kündigen möchte. Eine Grenze für Abwerbungen bilden die Vorschriften des UWG, die für den Abwerbenden Schadensersatzansprüche, Unterlassungsklagen und sogar Beschäftigungsverbote für abgeworbene Mitarbeitende bedeuten können.
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote erfordern eine Karenzentschädigung für ausscheidende Arbeitnehmer, weshalb sie in der Praxis ein eher unbeliebtes Mittel sind. Deshalb wird häufig auf vertragliche Wettbewerbsverbote mit Vertragspartnern gesetzt. Das OLG Köln hat jetzt allerdings entschieden, dass gemäß § 75 f HGB sowohl bei Einstellungsverboten, als auch bei vertraglichen Abwerbeverboten zwischen Unternehmern, keine gerichtliche Klagbarkeit gegeben ist. Es sei gerade Sinn und Zweck der Regelung, dass die Verpflichtung zur Leistung von Karenzzahlungen durch Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern nicht umgangen werden sollen. Darüber hinaus sei das Interesse von Arbeitnehmern an beruflicher Weiterentwicklung vorrangig gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers, Wettbewerbsnachteile zu verhindern.
Als einzige Ausnahme sieht das OLG Köln Fälle, in denen berechtigte Interessen des Arbeitgebers an der Unterlassung von Abwerbeversuchen im Einzelfall den Interessen betroffener Arbeitnehmer überwiegen. Das ist bei einem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen beiden oder einer besonderen Schutzwürdigkeit einer Partei der Fall. Diese Fälle sind jedoch selten und im Regelfall schon durch Regelungen des UWG gedeckt.
Verteidigungsminister Lambrecht muss Infos der Presse geben
Hubschrauber-Fotos von Sohn
Im vergangenen Mai kam es zu Kritik an Verteidigungsministern Lambrecht, nachdem ihr Sohn bei Instagram ein Foto aus einem Hubschrauber der Bundeswehr veröffentlichte. Das VG Köln hat jetzt (mit Beschl. V. 22.08.22, Az. 6 L 978/22) entschieden, dass die Verteidigungsministerin verpflichtet ist, die offenen Pressefragen zu beantworten.
Dem Verteidigungsministerium wurden verschiedene Fragen zur Reise und dem Instagram-Post von einem Journalisten zur Beantwortung vorgelegt. Allerdings lehnte das Ministerium eine Beantwortung der Fragen ab, da es sich bei der Auskunft um Fragen zur Ministerin als Privatperson handele. Auf Eilantrag des Journalisten entschied das VG Köln hingegen, dass nur eine Frage zum Zeitpunkt einer Hotelbuchung die Ministerin als Privatperson betreffe. Für die übrigen Fragen bejahte das Gericht ein vorrangiges Informationsinteresse der Presse.
Das Foto sei im dienstlichen Rahmen, einem Truppenbesuch der Ministerin, entstanden. Dabei nutzte die Ministerin auch einen Bundeswehrhubschrauber und damit eine Bundeswehr-Ressource. Das dabei entstandene Foto des Sohnes war insoweit ausschließlich wegen Lambrechts Position als Behördenleiterin möglich. Deshalb überwiege das Informationsinteresse der Presse gegenüber dem Schutz der Privatsphäre der Ministerin. Ohnehin handele es sich nicht um Fragen, die einen besonders sensiblen Bereich der Privatsphäre betreffen. Dabei sei auch zu beachten, dass die Verteidigungsministerin selbst ihr Privatleben mit dienstlichen Angelegenheiten verbunden habe, indem sie ihren Sohn im Bundeswehrhubschrauber mitnahm.
Die Beteiligten können gegen den Beschluss noch Beschwerde einlegen, über die das OVG Münster zu entscheiden hätte. Die Hubschrauber-Affäre geht jedenfalls in die nächste Runde – sei es durch ein weiteres Gerichtsverfahren oder der nun verpflichteten Beantwortung der Pressefragen.
Erfundenes Interview mit Göring-Eckard darf veröffentlicht werden
Tichys Einblick
Meinungs- und Kunstfreiheit gehören zu den tragenden Säulen der freien Gesellschaft. Dazu gehört auch mit satirischen Stilmitteln vorgetragene Kritik gegen Politiker. Nach dem LG Hamburg (Urt. V. 25.07.2022, Az. 324 O 85/22) ist es sogar erlaubt, ein vollständig erfundenes Interview mit einer Spitzenpolitikerin zu veröffentlichen.
Das Online-Magazin „Tichys Einblick“ fällt regelmäßig mit gegen Grünen-Politiker gerichteten Beiträgen auf. So auch mit einem frei erfundenen „Interview“ mit der Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt, welches in der Realität niemals stattfand. Das Interview wurde als unecht gekennzeichnet, unter anderem bereits direkt oberhalb der Überschrift mit den Worten „Achtung Satire!“. Auch auf einem Teil des zum Beitrag gehörenden Bild waren Hinweise wie beispielsweise „ALMOST TRUE NEWs“ zu finden.
Nach Auffassung des LG Hamburg ergebe sich aus den Kennzeichnungen, dass das Interview eindeutig als Satire erkennbar sei. Der Beitrag wäre sogar ohne diese Kennzeichnungen zulässig, da er immer noch als Satire erkennbar bliebe. Das Interview sei derart übertrieben, dass kein verständiger Leser die Inhalte für echt halten würde. Daran ändere auch nichts, dass unter dem Beitrag einige Leserbriefe abgedruckt waren, von denen viele das Interview für echt hielten oder sich zumindest über deren (Un)Echtheit unsicher waren. Denn ein solcher Beitrag werde ohnehin nur von Personen kommentiert, die den satirischen Charakter gerade nicht erfasst hätten.
Die Richter stellten schlussendlich fest, dass die behaupteten Aussagen aus dem erfundenen Interview auch auf einem tatsächlichen Vorschlag der Politikerin beruhten und es sich lediglich um Kritik mittels satirischer Übertreibung handele.
Pflicht zur automatischen Arbeitszeiterfassung gilt ab sofort
BAG kommt Gesetzgeber zuvor
Nach Entscheidung des BAG gilt bereits jetzt für alle deutschen Unternehmen die vom EuGH vorgegebene Pflicht, Arbeitszeiten von Beschäftigten systematisch zu erfassen. Deshalb gilt es jetzt für Arbeitgeber sofort zu reagieren.
Bereits 2019 hat der EuGH (Urt. v. 14.05.2019, Az. C-55/18) entschieden, dass der Arbeitgeber durch die EU-Mitgliedstaaten zu verpflichten ist, ein „objektives, verlässliches und zugängliches System“ zur täglichen Arbeitszeiterfassung einzuführen. Dadurch soll überprüfbar sein, ob zulässige Arbeitszeiten eingehalten würden. Ansonsten sei es für Arbeitnehmer als schwächere Partei unmöglich, ihre Rechte durchzusetzen. Außerdem müssten auch Behörden und Gerichte die Einhaltung von Arbeitnehmerrechten kontrollieren können.
In Deutschland sind Arbeitgeber nach § 16 Abs. 2 ArbZG nur verpflichtet, Überstunden und Sonntagsarbeit aufzuzeichnen. Nun entschied das BAG entgegen der zuvor überwiegenden juristischen Auffassung, dass aus dem EuGH-Urteil eine unmittelbare Verpflichtung für Arbeitgeber folgt. Der Gesetzgeber ist jetzt also gefordert, hier schnell Klarheit zu schaffen, wie Unternehmen damit umzugehen haben.
Da die Vorgabe ab sofort gilt, ist auch eine umgehende Einführung geeigneter Systeme durch Arbeitgeber einzuführen. Es ist jedoch aktuell noch unsicher, was konkret als geeignetes System gilt. Denn der EuGH hat seinerzeit keine Vorgaben hierzu formuliert und die Urteilsgründe des BAG sind noch nicht veröffentlicht.
Das dem BAG-Urteil zugrunde liegende Arbeitsschutzgesetz gilt für alle Arbeitnehmer, nicht aber für leitende Angestellte, Geschäftsführer, Selbständige oder Hausangestellte in privaten Haushalten. Verstöße dagegen können nach § 25 ArbSchG mit Bußgeldern bis zu einer Höhe von 25.000 Euro geahndet werden und z.B. bei Gesundheitsgefahren auch strafbar sein.
Microstock-Portale erlauben nach ihren AGB häufig die Nutzung von Bildern ohne die Namensnennung der Urheber. Nach Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. (Urt. V. 29.09.2022, Az. 11 U 95/21) steht nun fest, dass auf ein Recht auf Namensnennung durch Upload der Bilder verzichtet wird und entsprechende Klauseln in AGB von Microstock-Portalen wirksam sind.
Nach dem OLG Frankfurt a.M. können in Upload-Verträgen Regelungen geschlossen werden, so dass durch den Upload von Bildern auf die Plattform auch auf das Recht zur Namensnennung des Urhebers verzichtet wird. Ein entsprechender Verzicht verstoße nicht gegen das Transparenz- und Verständlichkeitsgebot, denn Urheber entscheiden sich willentlich für die Nutzung eines Microstock-Portals. Insoweit würde auch eigener Vermarktungsaufwand vermieden, zeitlich und finanziell. Für die Attraktivität des Angebots eines Portals für seine Kunden sei es von erheblicher Bedeutung, dass eine Namensnennung der Urheber nicht verpflichtend ist. Dadurch werde auch die große Reichweite des Microstock-Portals ermöglicht, was dem Urheber am Ende wieder zum Vorteil gelange.
Bisher ist die Entscheidung aber noch nicht rechtskräftig. Die Revision zum BGH wurde im Hinblick auf die Frage zugelassen, ob ein Urheber in AGB für jede Verwendungsart gegenüber einem Microstock-Portal wirksam auf das Recht zur Nennung des Urhebers verzichten kann.
Die Entscheidung ist für zahlreiche Microstock-Anbieter von hoher Relevanz, da entsprechende Klauseln in deren AGB häufig anzutreffen sind. Demzufolge werden unzählige Bilder ohne Urhebernennung durch die Kunden der Portale genutzt. Sollte der BGH überaschenderweise die Entscheidung des OLG kippen, stünden die Nutzer der Bilder plötzlich vor einer umfassenden Abmahnwelle.