der letzte Newsletter in diesem Jahr bietet Ihnen noch einmal spannende Informationen zu der Frage, wann eine E-Mail im Geschäftsverkehr zugegangen ist oder ob Gollum eine Beleidigung ist. Wir wünschen Ihnen geruhsame Feiertage und freuen uns auf ein „Wiederlesen“ im kommenden Jahr.
Rafaela Wilde
Rechtsanwältin
Renate Schmid
Rechtsanwältin
Ihre Ansprechpartnerinnen im Urheber- und Medienrecht
BILD TV durfte ZDF-Inhalte aus "Berliner Runde" nicht zeigen
Urheberrechtlich unzulässig
Im Berufungsverfahren scheiterte der Sender BILD TV erneut vor dem OLG Köln. Die zunächst ergangene einstweilige Verfügung des LG Köln, welche untersagte Inhalte der „Berliner Runde“ des ZDF selbst auszustrahlen, ist damit nun rechtskräftig. Die Weitersendung und Veröffentlichung des 13-minütigen Ausschnitts zur Wahlberichterstattung ist urheberrechtlich unzulässig.
BILD TV berichtete über die Bundestagswahl 2021 und zeigte dabei auch Ausschnitte aus der „Berliner Runde“ des ZDF. Dabei handelt es sich um ein bekanntes Format von ARD und ZDF, bei dem Spitzenpolitiker die vorläufigen Wahlergebnisse besprechen. Außerdem sendete BILD TV auch die Wahlprognosen von ARD und ZDF weiter. Um weiteres entsprechendes Verhalten zu verhindern, klagte das ZDF im einstweiligen Verfügungsverfahren gegen BILD TV.
Das Recht der Weitersendung sei hier betroffen. Daran ändern auch Einblendungen und inhaltliche Erweiterungen des Bildsignals nichts. Doch auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung sei durch die Veröffentlichung im Online-Archiv BILD-TV betroffen.
Im Berufungsverfahren erklärt das OLG Köln zur Begründung den § 50 UrhG für den vorliegenden Fall als unanwendbar, da die Weitersendung von geschützten Inhalten nur in verhältnismäßigem Umfang erfasst sei. Im streitgegenständlichen Verfahren fehle es aber an der Erforderlichkeit, weshalb die Weitersendung rechtswidrig sei. Das hohe Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit wäre auch durch Verwendung einzelner Aussagen der Politiker statt des langen Abschnitts der Sendung zu befriedigen gewesen. Darüber hinaus sei die Darstellung auch nicht vom Zitatrecht des § 51 UrhG erfasst.
Die Entscheidung im Eilverfahren ist rechtskräftig und damit auch abschließend. Zwar schließt sich an Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz noch das Hauptsacheverfahren an. Dabei dürfte eine grundlegende Änderung der bisherigen Entscheidung jedoch nicht zu erwarten sein.
Die Facebook-Kommentare waren nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Nach drei Jahren Kampf gegen Hasskommentare auf Facebook kam es nun zu diesem Urteil des Kammergericht (KG) Berlin (Az. 10 W 13/20), nachdem das Bundesverfassungsgericht den Fall dahin zurückverwiesen hatte. Facebook muss jetzt Daten der Nutzer herausgeben, welche beleidigende Kommentare unter einem Falschzitat Künasts veröffentlichten.
Der Rechtsextremist Sven Liebich behauptete mit einem Falschzitat bei Facebook, Renate Künast billige Sex mit Kindern, solange dabei keine Gewalt angewendet würde. Dabei erweckte der Post den Anschein, es handele sich um ein tatsächliches Zitat, weshalb es zu unzähligen beleidigenden Kommentaren kam.
Das Landgericht Berlin billigte die Kommentare 2019 noch als von der Meinungsfreiheit gedeckt. Dagegen ging Künast gemeinsam mit der gemeinnützigen Organisation HateAid vor und legte u.a. Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein. Das BVerfG bemängelte die unzureichende Abwägung von allgemeinem Persönlichkeitsrecht Künasts gegenüber der Meinungsfreiheit der Facebook-Nutzer, weshalb es zu einer Rückverweisung des Falls nach Berlin zur erneuten Entscheidung kam.
Jetzt kam das KG Berlin zum Ergebnis, die Kommentare seien nicht von der Meinungsfreiheit geschützt, da sie nicht zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen. Das gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die Kommentare auf ein Falschzitat bezogen. Die Verfasser der Kommentare hätten das Zitat bezogen auf seine Echtheit hinterfragen müssen, bevor sie ohne Weiteres Beleidigungen in den Kommentaren veröffentlichten. Außerdem genieße das Allgemeine Persönlichkeitsrecht von Amtsträgern und Politikern auch besonderen Schutz.
Die Hasskommentare erfüllen mangels Schutzes durch die Meinungsfreiheit den Straftatbestand der Beleidigung gemäß § 185 StGB. Deshalb muss Facebook die Nutzerdaten der Verfasser jetzt herausgeben.
Boris Becker scheitert mit Klage gegen Oliver Pocher
"MAKE BOR!S RICH AGAIN"
Nach Urteil des Landgericht (LG) Offenburg (Az. 2 O 20/21) verletzt der Beitrag der RTL-Sendung „Pocher – gefährlich ehrlich“ Ex-Tennisprofi Boris Becker nicht in seinen Persönlichkeitsrechten. Der Beitrag darf weiter ausgestrahlt werden.
In der Fernsehsendung kam es zu einem Spendenaufruf unter dem Slogan „MAKE BORIS R!CH AGAIN“, wodurch ein dreistelliger Betrag angesammelt wurde. Da Boris Becker die Annahme des Geldes verweigerte, erschuf Pocher einen Fantasie-Mode-Preis und versteckte das Geld in der zugehörigen Preistrophäe. Nach Übergabe der Trophäe an Boris Becker kam es am 29.10.2020 zur Ausstrahlung eines Beitrags bei der Sendung „Pocher – gefährlich ehrlich“ und damit auch zur Auflösung für die Zuschauer.
Das LG Offenburg wies nun die Klage gegen die Verwendung der Film- und Bildaufnahmen ab. Zwar fehle es an einer Einwilligung Beckers zur Verwendung. Jedoch handele es sich um Bildnisse der Zeitgeschichte und die Belange der Meinungs- und Rundfunkfreiheit überwiegen im streitgegenständlichen Fall. Deshalb sei die Veröffentlichung zulässig. Die Entscheidung ist aber noch nicht rechtskräftig.
Die Bezeichnung einer Person als „Gollum“ kann beleidigend sein und das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen. So entschied nun das Landgericht (LG) München I (Az. 25 O 12738/22).
Ein verschwörungstheoretische Bürgerbewegung bezeichnete einen renommierten Biologen als „Gollum“. Dazu verteilten sie Flyer in der Öffentlichkeit, welche die Äußerung enthielten. „Gollum“ ist ein fiktiver Charakter und einer der Hauptbösewichte aus „Der Hobbit“ und „Der Herr der Ringe“ von J.R.R. Tolkien.
Nach Ansicht des LG sei „Gollum“ ein wegen seiner zugeschriebenen optischen und charakterlichen Eigenschaften überwiegend negativ besetztes Wesen. Die Meinungsäußerung sei daher keine sachbezogene Herabsetzung des Wissenschaftlers. Es handele sich außerdem um eine unwahre Tatsachenbehauptung, soweit dadurch ausgedrückt werde, der Wissenschaftler habe keine entsprechende wissenschaftliche Bildung. Darüber hinaus handele es sich auch nicht um Satire, da der Flyer keine Missstände anprangert oder Widersprüche zwischen Anspruch und Realität aufdecke.
Vor einigen Jahren gab es bereits einen ähnlichen Fall in der Türkei, bei der ein Türke den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit Gollum verglich und daraufhin zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde.
In der Vergangenheit kam es schon häufiger zu Fällen mit kreativen Beleidigungen. Im Mai 2012 sprach die Polizei in Regensburg mehrere Platzverweise gegen Fußballfans aus, bei dem ein Mann zu der handelnden Polizistin sagte „Hat der Pumuckl heute auch was zu sagen?“. Der Fan hatte bereits zwei Strafbefehle wegen Beleidigung und Widerstand gegen Polizisten erhalten, weshalb ihn das Amtsgericht (AG) Regensburg zu zwei Monaten Haft auf Bewährung verurteilte und ein 7-monatiges Verbot aussprach, Spiele der ersten und zweiten Bundesliga zu besuchen.
Auch die Bezeichnung eines Polizeibeamten als „Schlumpf“ ist eine Beleidigung, welche nach richterlicher Auffassung ein Ausdruck der Missachtung darstelle. Im Vergleich zu den Beleidigungen gegenüber Renate Künast (siehe oben), welche als „Pädophilen-Trulla“, „Sondermüll“ und „Drecksfotze“ beschimpft wurde, sind diese Bezeichnungen hingegen relativ harmlos.
Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 06.10.2022, Az. VII ZR 895/21) hat entschieden: Eine E-Mail im unternehmerischen Geschäftsverkehr ist in dem Zeitpunkt zugegangen, wenn sie auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung gestellt wird. Für den Zugang ist es nicht erforderlich, dass die E-Mail tatsächlich abgerufen und gelesen wird.
In § 130 Abs. 1 BGB findet sich die Regelung zur Frage, wann eine Willenserklärung dem Empfänger zugegangen ist. Bezogen auf E-Mails im Geschäftsverkehr bestand unter den Gerichten bisher jedoch keine Einigkeit. Zuletzt entschied noch das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Az. 4 W 119/20), dass ein Abmahnschreiben mit Dateianhang erst mit tatsächlichem Öffnen der E-Mail zugegangen sei.
Streitgegenständlich war vor dem BGH ein Verfahren zwischen einer Frau und einem Bauunternehmen, welches sie zu Metall- und Fassadenbegrünungsarbeiten beauftragte. Die Frau übersendete dem Unternehmen eine Abrechnungsvereinbarung mit einem Betrag über eine Schlusszahlung in Höhe von 14.538,36 Euro. Das Unternehmen widersprach der Schlusszahlung per E-Mail und forderte die Frau zur Zahlung von 15.376,48 € auf. Knapp eine halbe Stunde später erklärte das Unternehmen, dass die Forderungshöhe aber noch nicht abschließend geprüft sei und die vorangegangene E-Mail gegenstandslos sei. Kurz darauf stellte das Unternehmen dann eine Restforderung von 22.173,17 Euro, die Frau zahlte allerdings nur die ursprünglich geforderten 15.376,48 Euro. Das Bauunternehmen verlor mit seiner erhobenen Klage in allen Instanzen.
Die Parteien haben sich nach Auffassung der Gerichte auf den Abschluss eines Vergleichs nach § 779 BGB geeinigt. Die erste E-Mail des Unternehmens mit der Forderung von 15.376,48 Euro sei dabei als Angebot auf den Abschluss des Vergleiches anzusehen. Fraglich war, ob das Angebot durch die nachfolgende E-Mail wirksam widerrufen wurde, was nach § 130 Abs. 1 S. 2 BGB den zeitgleichen Zugang der Erklärungen erfordert. Nach Entscheidung des BGH war der Widerruf jedoch erst zugegangen, nachdem das Angebot bereits zugegangen war. Die anschließende Zahlung der im Angebot geforderten Geldbetrags habe dann eine konkludente Annahme des Vergleichsangebot dargestellt.
Der BGH stellte klar, dass im unternehmerischen Geschäftsverkehr E-Mails jedenfalls dann zugegangen sind, wenn sie innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers zum Abruf zur Verfügung bereitgestellt werden. Die Mail befinde sich dann in seinem Machtbereich und während der üblichen Geschäftszeiten sei auch mit einer unmittelbaren Kenntnisnahme nach Eingang der Nachricht zu rechnen.
Die Entscheidung gilt ausdrücklich nur für den unternehmerischen Geschäftsverkehr, nicht aber Privatpersonen, welche ihre E-Mails nicht mehrmals täglich abrufen und deshalb regelmäßig erst ein Zugang bei tatsächlichem Abruf der Nachricht erfolgt. Doch weitere wichtige Rechtsfragen bleiben weiterhin ungeklärt. Zu Fällen mit Zugang einer E-Mail außerhalb der üblichen Geschäftszeiten hat sich der BGH explizit nicht geäußert. Hier bleibt also auch ein Zugang erst am nächsten Werktag denkbar.